Perlen am Elbestrand
TOURISMUS - Pretzsch will seine Potenziale aufwerten und macht sich Hoffnungen auf Förderung. In Schloss und Stadt sind Kostbarkeiten zu entdecken.

von Günter Kowa
Pretzsch /MZ. Vom Bürgermeister von Bad Schmiedeberg wird man erwarten, dass er ein Loblied auf seine Kurstadt singt. Doch es ist schwer vorzustellen, dass dieses die Hymnen übertreffen kann, die Martin Röthel auf den zehn Kilometer entfernten, 2009 eingemeindeten Stadtteil Pretzsch anstimmt. „Wir sehen dort enormes touristisches Potential“. Nun, der gebürtige Wittenberger ging in Pretzsch aufs Gymnasium und war Manager im Kinderheim im Schloss Pretzsch: Er muss es wissen. Und deshalb hat er sich nicht gescheut, einige Vorschläge zu Pretzsch beim Landeswettbewerb zur „nachhaltigen Nutzung des kulturellen Erbes“ einzureichen, mit Antrag auf 1,5 Millionen Euro Fördersumme.
Pretzsch macht auf den ersten Blick durchaus nicht den Eindruck eines aufstrebenden Touristenmagnets. Von 2400 Einwohnern zur Zeit der Wende ist nur die Hälfte übrig; dem Eindruck von Verlassenheit und Leerstand kann dem Besucher nicht entgehen. Aber eben auch nicht dem Blick auf das von Röthel beschworene Potenzial. Das prachtvolle Renaissanceschloss ragt mit Türmen und Zinnen über Dächer und Elbauen hinaus, von wo es eine Kulisse abgibt, die sich seit seiner Erbauung 1571 bis 1574 überhaupt nicht verändert hat. So zeigt eine Federzeichnung aus dem Jahre 1626 die ganze unberührte Natureinsamkeit an der Elbe bei Pretzsch. Das ist der Hochwassergefahr geschuldet, weshalb die Auen weiträumig unbebaut sind. Die Stadt allerdings geriet schon bald, nachdem die Zeichnung entstanden war, in den zerstörerischen Strudel des Dreißigjährigen Krieges, dem das Schloss aber entging. Verdankt es seine Entstehung dem sächsisch-kurfürstlichen Hofrat Hans Löser (1531-1580), für den Luther Taufpate war, so verbindet sich sein später Ruhm mit Christane Eberhardine (1671-1727), Gemahlin August des Starken und entschiedene Protestantin trotz Augusts Übertritt zum Katholizismus nach dessen Übernahme der polnischen Krone.
Die Fürstin machte Pretzsch zu ihrem Musensitz, umgab sich mit Hilfe von Baumeister Daniel Pöppelmann mit Dresdner Barockglanz, dessen Zeugnisse in Pavillonbauten und den Resten des Schlossparks, vor allem aber der Ausstattung der Stadtkirche erhalten sind. Schon das macht Pretzsch zu einer Perle an der Elbe, der allein der Glanz fehlt, aber wie viel mehr Beachtung käme dem Schloss zu, wären die teils ornamental, teils figürlich bemalten kunstvollen Holzbalkendecken sichtbar, deren Existenz erst seit 2015 bekannt ist.
Sie wurden bei Sanierungsmaßnahmen unter Aufsicht des Landesamtes für Denkmalpflege stellenweise freigelegt, aber wieder unter Zwischendecken verborgen, denn diese dienen in dem als Kinderheim genutzten Bauwerk dem Brandschutz. Immerhin tut die Betreibergesellschaft Salus das ihre, um kulturelles Interesse am Bauwerk wachzuhalten, mit einer kleinen Dauerausstellung zur Schlossgeschichte, einer Kunstgalerie mit Cafe und mit Ferienzimmern.Perspektivisch aber wird man die Deckenmalereien in dem sonst leergeräumten Schloss in die Kategorie „Potenzial“ einordnen, denn ihre Qualität legt eine Mitarbeit der Werkstatt Lucas Cranachs des Jüngeren nahe. Von der barocken Pracht sind urkundlich Damast-, Seide-, Gold- und Silberstickereien, Teppiche, Spiegel, Gemälde und Kamine bekannt, doch nur eine bronzene Ofenplatte mit einer Ansicht von Dresden kann davon noch vor Ort Zeugnis ablegen. Nicht im Schloss, sondern im ehemaligen Amtshaus, das seit 1993 als Heimatmuseum dient – und auch den Hauptgegenstand im Pretzscher Wettbewerbsantrag darstellt, zumal es der Stadt gehört.
Dieses würdevolle Gebäude hat eine seltene barocke Fachwerkfassade, mit einer 1927 in Stein errichteten Seite in expressiven Formen. Von seinen besten Zeiten ist das Haus weit entfernt; die Gefache sind mit Zement verputzt, das Dach ist mit Betonsteinen gedeckt, und die ersten Untersuchungen deuten auf erhebliche Schäden an der Fachwerkkonstruktion, sagt Mario Titze vom Landesdenkmalamt. Dennoch hofft man, dass das eventuelle Geld auch für eine Neupräsentation der Sammlungen lokaler Bürger- und Bauernkultur reicht, hingebungsvoll verwaltet von dem 79jährigen Leiter Erhard Dubrau.
Dass Pretzsch im Tourismus mehr Beachtung verdient, hat auch mit seiner Lage auf halbem Wege zwischen Wittenberg und Torgau zu tun, erst recht mit seinen Reminiszenzen an Erwin Strittmatter und Clara Wieck: Strittmatter war hier Konditorgeselle, und die Pianistin, Komponistin und Gattin Robert Schumanns war die in Leipzig geborene Tochter des Musikpädagogen Friedrich Wieck aus dem stattlichen Bürgerhaus am Markt, das die Eigentümerin als Pension und Feriendomizil betreibt, doch am liebsten zu einer Künstlerresidenz verwandeln würde: auch dies eines der Potenziale von Pretzsch.
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