Weihnachten 2017 - Erinnerungen und Gedanken |
In wenigen Tagen feiern wir Weihnachten. Wir freuen uns auf dieses wunderbare Fest zu dem wir uns ob jung oder alt gegenseitig beschenken. In dieser Feiertagsstimmung geben wir Alten in Gedanken zurück in unsere Kindheit und erinnern uns an die Kriegsweihnachten, die wir oftmals ohne Vater, der als Soldat an der Front stand, erleben mussten. Im Verlaufe des Krieges verschlechterten sich auch für uns Kinder die Lebensbedingungen. Doch unsere Landsleute im Osten Deutschlands mussten letztlich viel mehr Leid erdulden als wir hier in Mitteldeutschland.
Bei eiskaltem Winterwetter flohen sie aus ihren Heimatorten vor den heranrückenden Sowjettruppen. Oftmals wurden diese Flüchtlingstrecks bei den harten Kämpfen überrollt und es gab Tote und Verletzte.
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An einem schönen Sonnentag im Sommer dieses Jahres traf ich bei der Besichtigung des neu gestalteten Elbdammes ein älteres Ehepaar aus Wittenberg. Wir kamen ins Gespräch und die Frau äußerte, sich in der Umgebung auszukennen. Sie wäre 1947 im Schloss Pretzsch als Waisenmädchen aufgenommen worden.Weil ich mich mit der Schloss- und Waisenhausgeschichte befasse, setzten wir in unserem Eberhardinencafe das Gespräch fort.
Stark beeindruckte mich die Schilderung ihres Aufenthaltes und der ihrer fast blinden Schwester als sogenannte Wolfskinder von Hunger und Obdachlosigkeit betroffen im zerstörten Ostpreußen. Unmenschlich war der Abschied von der Mutter, die mit anderen Frauen in einem Keller eingekerkert war. Nur kurzzeitig standen sich Mutter und Töchter wortlos an einem Kellerfenster gegenüber. Auch die anderen Mütter wollten sich von ihren Kindern verabschieden. Ihre Hoffnungen auf ein Wiedersehen mit der Mutter oder auf ein Lebenszeichen von ihr erfüllten sich nicht.
Nach jahrelangem Herumirren im ehemaligen Ostpreußen wurden diese Kinder durch die sowjetischen Besatzungsorgane aufgegriffen und nach Deutschland in die sowjetische Zone überführt. Mit anderen Mädchen und Jungen kam die Erzählerin in das Waisenhaus Schloss Pretzsch; manche waren jünger und kannten nicht ihr Geburtsdatum oder Geburtsort.
Mit einer Einladung an sie und ihren Ehemann zum 70igsten Jubiläum des Kinder und Jugendheimes Schloss Pretzsch am 10. September 2017 haben wir uns verabschiedet. Sie ist dieser Einladung gefolgt und sicher wurden Erinnerungen mit anderen Ehemaligen ausgetauscht. Nicht nur über das Zusammentreffen mit dieser Frau aus Wittenberg war nachzudenken, sondern sich auch zu erinnern an die Erzählungen und an die schriftlichen Berichte der Kinder von damals. Vor 70 Jahren war Freude aufgekommen nun endlich wieder in einem festen Haus zu leben, in einem Bett zu schlafen, auch wenn nur ein Strohsack als Unterlage diente. Das Essen war nicht immer üppig, doch die Anzeichen einer Unterernährung waren bald nicht mehr sichtbar. Zur Gesundung der Heimbewohner konnten sowohl ärztliche Hilfe und Krankenhausaufenthalte in Anspruch genommen werden.
Die Einkleidung der Jungen und Mädchen bereitete den Verantwortlichen große Sorgen. Dankbar zeigten sich die Bedürftigen für die Bekleidungsspenden von Behörden, dem Deutschen Roten Kreuz, der Volkssolidarität und Privatpersonen. Aus dem fernen Australien erreichte das Waisenhaus ein großes Paket, das gefüllt war mit Nadeln, Zwirn und anderen Utensilien, die in einen Nähkasten gehören. Absender war eine Ehemalige aus dem ehemaligen Militärwaisenhaus Schloss Pretzsch.
Nach den Jahren der harten Entbehrungen kündigt sich auch bei den Kindern des Waisenhauses im letzten Monat des Jahres 1947 die Zeit der Erwartungen an. Sie möchten gerne Weihnachten feiern mit brennenden Kerzen am Baum und fröhlichen Weihnachtsliedern. Erwartet wurden vielleicht auch kleine Geschenke. Mit diesen Wünschen ergaben sich Forderungen an die Erzieherinnen und an den Leiter des Hauses.
Tatsächlich wurde aus der Erwartung eine Erfüllung. Der geschmückte Weihnachtsbaum stand mit brennenden Kerzen im größten Raum des Schlosses. Weihnachtslieder wurden gesungen. Es gab Süßigkeiten und kleine Geschenke. Ein Ehemaliger berichtete, dass das beste und schönste Geschenk für die mehr als 200 Kinder ein Fußball aus echtem Leder war.
Am Weihnachtsabend 1947 begann die Tradition der Weihnachtsfeiern in unserem Kinderheim. Sie wurden später ergänzt durch Weihnachtsspiele, Chorsingen, Weihnachtlicher Blasmusik und Auftritte des Weihnachtsmannes. Wir sind froh und glücklich darüber, dass auch noch in unseren Tagen der Weihnachtsabend mit einem anspruchsvollen Weihnachtsspiel eingeleitet wird.
Herbert Thielebein, Schlosschronist |
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